Fotografische Kostbarkeiten im Alten Trafoturm

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Der alte Trafoturm in Sulzheim, ein kleines, aber feines Industriedenkmal im Herzen Rheinhessens, dessen Erhaltung und Umwidmung zur Kunstgalerie wir Herrn Günter Kreft verdanken, lädt zum Zusammenrücken und zu Begegnungen ein. Zur Sulzheimer Kerb hat der Verein afemdi-Projekte Deutschland e.V. fotografische Kostbarkeiten der Mainzer Künstlerin Li Gassner (1916 – 2008) der Öffentlichkeit präsentiert. Die Ausstellung dauert noch bis zum 3. Juni 2013. Die Vereinsvorsitzende Elke Scheiner öffnet den Turm täglich von 14 bis 18 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung ( 06732 4571 oder 0160 92580998 ).
So wie die für den Trafoturm um die Wende zum 20sten Jahrhundert verwendeten Backsteine und der Turm selbst ihre eigene Geschichte erzählen, so spricht aus den Fotografien von Li Gassner die gute alte Zeit der (Analog-)Fotografie. Die Bilder laden ein zu einer Begegnung. Der Besuch der Ausstellung ist ein Schritt aus dem Alltagsgetöse, der dröhnenden und pochenden Zeit, dem Druck der tickenden Uhr und des vorgegebenen Zeitrasters heraus. Dies ist das einmütige Urteil der zahlreichen Besucher – kunstsinnige Mitbürger ebenso wie Kerbegänger und Jakobspilger -, die das Angebot zum Innehalten bereitwillig, mit Freude und Gewinn angenommen haben.

Li Gassner ist über viele Jahrzehnte hinweg mit ihrer Kamera unterwegs gewesen. Sie hat sich bereits in ganz jungen Jahren der Fotografie verschrieben, das Handwerk erlernt und an der Kunstgewerbeschule in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts studiert und dabei auch die technischen Fortschritte der Fotoapparate wahrgenommen. Das Zeitalter der digitalen Fotografie hat sie nicht mehr erlebt und ob sie diese statt der nächtlichen Arbeit in der Dunkelkammer angewandt hätte, ist eher fraglich als wahrscheinlich.
Sie nimmt den Besucher mit auf ihren Spaziergang durch die Welt der unscheinbaren Dinge, sie lässt uns durch ihr Auge sehen und an ihrer Wahrnehmung teilhaben. Ihr Blick haftet da und dort, sie bleibt stehen, geht zurück und schaut erneut um sich und schafft so Blickwinkel, die im Alltag untergehen. Aus dem Dunkeln unseres Gedächtnisses führt sie uns mit ihrer Sicht der Dinge auf einen Pfad in unserer Erinnerung, Erlebnisse und Stimmungen tauchen auf. Da geschieht etwas mit uns. Wenn sie durch Ausschnitt und Vergrößerung, durch Weglassen von Ballast, durch Konzentration auf das Wesentliche Reales zur Abstraktion umformt, wird der Betrachter selbst aktiv, erlebt sich selbst als frei und schöpferisch.
Li Gassner hat erst im Alter von 64 Jahren - mehr gedrängt als gewollt - ihre erste Ausstellung bestückt, danach folgten in den nächsten 25 Jahre noch 10 weitere Ausstellungen im Raume von Mainz, Wiesbaden Heidelberg und Freiburg.
afemdi-projekte Deutschland e.V. ist auf die Werke von Li Gassner gestoßen und zeigt sie nun der Öffentlichkeit in einer Einzelausstellung. Die Fotografien behandeln das Thema Holz, Wasser, Sand, Schnee und Halme. Sie sind auch nach diesen Themen in den drei Stockwerken des Alten Trafoturm sehr geschickt und einfühlsam angeordnet. Den Fotografien steht ein hinreißend schöner Katalog als Begleiter zur Seite und eine thematisch passende CD mit Musik von Giacinto Scelsi, Peter Knodt und Johann Sebastian Bach, gespielt von Professor Peter Knodt auf der Trompete und von Kantor Klaus Günter Brand auf der Orgel. Die Berührungspunkte und Überschneidungen zwischen Musik und der Kunstform Fotografie werden damit in der Ausstellung sichtbar. Ein Besuch bei diesen fotografischen Kostbarkeiten lohnt sich allemal.
Katalog und CD sind ebenso käuflich zu erwerben wie die signierten Originalfotografien von Li Gassner. Der Verkaufserlös fließt in vollem Umfang dem afemdi-Projekt zu und wird der Alphabetisierung muslimischer Frauen und Mädchen im Hohen Norden von Kamerun sowie einem dortigen Waisenhaus dienen. Elke Scheiner wird im Oktober 2013 wieder für mehrere Monate nach Kamerun reisen, um vor Ort die begonnenen Projekte voranzutreiben und über die Verwendung der Spenden zu wachen.